Einsatz auf den Philippinen: DRK-Delegierter Jörg Fischer im Interview
Die Lage auf den von Taifun "Haiyan" betroffenen Gebieten auf den Philippinen ist nach wie vor angespannt. Jörg Fischer, Delegierter des DRK vor Ort, hat uns trotz seiner vielen Aufgaben vor Ort einen persönlichen Eindruck von der aktuellen Situation gegeben.
Deutsches Rotes Kreuz (DRK): Seit wann sind Sie auf den Philippinen, und wie ist Ihr Eindruck von der Lage?
Jörg Fischer: Ich bin am vergangenen Dienstagnachmittag in Tacloban gelandet. Im ersten Moment war ich einfach geschockt. Zwar hatte ich bis dahin die Berichte der Medien verfolgt, dennoch war ich auf diesen Anblick nicht vorbereitet. Diese Stadt ist flächendeckend vollkommen zerstört. Überall liegen unverhüllte Leichen, und der Geruch der Verwesung liegt in der Luft. Mein erster Gedanke war, der einer "durch ein Kleinkind zerstörten Spielzeugstadt".
DRK: Konnten Sie inzwischen eine gewisse Infrastruktur aufbauen?
Fischer: Für uns war es schon sehr schwer, überhaupt nach Tacloban zu kommen. Mein nächstes Ziel ist Cebu. Auch dorthin gelange ich nur über einen Flug zuerst nach Manila und dann weiter nach Cebu. Im nördlichen Teil von Cebu ist die Infrastruktur vorhanden. Die Straßen sind befahrbar. Es gibt Trinkwasser und auch die Stromversorgung ist gewährleistet. Wir wollen in diesem Teil von Cebu ein Koordinationszentrum für internationale Hilfen aufbauen. In den anderen betroffenen Gebieten sieht es mit der Infrastruktur deutlich schlechter aus. Es ist möglich, dass kleine LKWs mit Hilfsgütern die Straßen befahren, große LKWs kommen hingegen nach wie vor nicht in die verwüsteten Gebiete.
DRK: Was sind die ganz zentralen Aufgaben im Moment vor Ort?
Fischer: Wir vom DRK unterstützen vor allem die philippinischen Kollegen hier vor Ort. Die Kollegen fahren die Gebiete ab, und machen sozusagen eine Bestandaufnahme, die uns darüber informiert, wo welche konkrete Hilfe benötigt wird. Meine Kollegen und ich, wir unterstützen, indem wir die Logistik übernehmen. Wir koordinieren, dass die Hilfsgüter, die eintreffen an den Orten ankommen, wo sie benötigt werden. Es werden aber noch mehr erwartet. Und auch die Kollegen vom spanischen und finnischen Roten Kreuz habe ich bereits vor Ort gesehen.
DRK: Wie ist Ihr Eindruck von den Taifun-Opfern?
Fischer: Nun, als wir hier ankamen, spürten wir Resignation. Dennoch haben die Menschen sich zusammen getan und zum Beispiel Wasserleitungen freigelegt und aufgebrochen. Denn teilweise ist Wasser vorhanden, eben nur in den Leitungen. Inzwischen hat das philippinische Rote Kreuz es aber geschafft, zwei Konvois mit circa 30.000 Litern Wasser in die betroffenen Gebiete zu bringen. Wir vom DRK haben sie dabei mit der Finanzierung der Einsatzkosten unterstützt. Nach und nach treffen auch immer mehr Hilfsgüter ein. Für die Menschen sind das erste sichtbare Hilfen, und das scheint sie mit neuer Hoffnung und Kraft zu versehen. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass auch ich mit dem Eintreffen der Hilfsgüter wieder neue Hoffnung bekommen habe. Denn ein Gefühl von Trostlosigkeit durch den Anblick der zerstörten Straßen und der vielen Leichen macht sich doch schnell breit.
DRK: Was wird am Dringendsten gebraucht?
Fischer: Als allererstes Wasser, Nahrung, medizinische Versorgung. Dann einfach Notunterkünfte bzw. die Unterstützung bei der Einrichtung provisorischer Unterkünfte. Auch Dinge wie Hygienepakete werden gebraucht. Und in letzter Konsequenz zeichnet sich ab, dass die Menschen psychosoziale Hilfe bei der Aufarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse benötigen.
DRK: Gibt es einen Plan für die kommenden Tage?
Fischer: Wir erwarten in den kommenden Tagen mindestens einen weiteren Hilfsflug des Deutschen Roten Kreuzes. Mit dem nächsten Flug werden Hilfsgüter hergeschafft, mit denen die Trinkwasser- und die Hygieneversorgung für rund 20.000 Menschen verbessert werden soll. Darunter 400.000 sogenannte Pur-Tabletten, mit denen die Opfer des Taifuns jeweils zehn Liter verschmutztes Wasser reinigen und als Trinkwasser aufbereiten können. Außerdem werden mit dem Flug Latrinen auf die Philippinen transportiert. Denn durch die weiterhin katastrophalen hygienischen Zustände vor Ort wächst die Seuchengefahr mit jedem Tag. Zudem werden Materialien, die für den Aufbau eines Koordinationszentrums benötigt werden, hertransportiert. Zum anderen wollen wir jetzt natürlich möglichst schnell Hilfsgüter wie Wasser, Nahrung, Hygienepakete und vieles mehr in die Krisengebiete bringen. Dabei unterstützen wir die philippinischen Kollegen logistisch. Die Menschen auf der Insel Bantayan nördlich von Cebu werden wir auch mit den Hilfsgütern versorgen.
DRK: Wie motivieren Sie und die Kollegen sich, und auch die Betroffenen?
Fischer: Wie gesagt, das Eintreffen der internationalen Hilfsgüter hat hier viel Hoffnung geweckt. Vor allem bei den Opfern, für die die Güter wirklich sichtbar und greifbar sind, und die ihnen natürlich auch direkt zugutekommen. Und auch uns haben die Hilfsgüter positiv gestimmt. In den vergangenen Tagen ging es einfach nur schleppend voran, da wir weder eine vorhandene Infrastruktur hatten, noch die Hilfsgüter, mit denen wir arbeiten konnten. Insofern sind wir in guter Hoffnung, dass unsere Unterstützung in den kommenden Tagen auch schneller voran geht.
DRK: Vielen Dank für das Interview! Wir wünschen Ihnen noch viel Kraft und viel Erfolg bei der Unterstützung der philippinischen Kollegen des Roten Kreuz, und der Hilfe der Taifun-Opfer.