150 Jahre Genfer Konvention: Das humanitäre Völkerrecht ist heute aktueller denn je
Am 22. August 1864 wurde das erste Genfer Abkommen verabschiedet – als erster völkerrechtlicher Vertrag, der den Schutz von Verwundeten, die Neutralität des Sanitätspersonals und das rote Kreuz als Schutzzeichen zum Gegenstand hat. In den folgenden 150 Jahren wurde das Recht wegen weiterentwickelter Waffentechnologien und veränderter Methoden der Kriegsführung immer wieder an neue Herausforderungen angepasst. Heute ist es aktueller denn je – wenn man zum Beispiel an die Konflikte in Syrien, dem Gazastreifen, Irak und die Ukraine denkt.
Einige Eckpunkte zu einem bemerkenswerten Jubiläum:
- Die Geschichte des Roten Kreuzes und der Genfer Konventionen ist eng verwoben - gehen doch beide auf die Idee derselben Person zurück: Henry Dunant, Schweizer Geschäftsmann, Philanthrop und späterer Friedensnobelpreisträger. Er forderte 1862 die Gründung von Hilfsgesellschaften schon in Friedenszeiten, deren ausgebildetes Pflegepersonal im Falle eines Krieges alle Verwundeten gleichermaßen betreut. Zum anderen setzte er sich für den Schutz dieses Pflegepersonals ein. Seine Idee fand rasch eine breite Anhängerschaft und bildete die Grundlage für die internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. In 189 Ländern der Welt gibt es heute eine nationale Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaft.
- Am 22. August 1864 unterzeichneten Vertreter aus 16 Ländern nach zweiwöchigen Verhandlungen in Genf einen Vertrag – die erste Genfer Konvention, der die Versorgung, Aufnahme und den Schutz von verwundeten Soldaten sowie den Schutz des medizinischen Personals im Krieg regelte. Die verwundeten Soldaten sollten „ohne Unterschied hinsichtlich der Nationalität“ gepflegt werden. Das rote Kreuz auf weißem Grund wurde als Schutzzeichen festgelegt.
- Die heute geltenden vier Genfer Abkommen von 1949 sind das Kernstück des humanitären Völkerrechts. An die Abkommen sind alle Staaten der Welt gebunden. 195 Staaten sind derzeit Vertragsparteien der vier Genfer Abkommen. Wesentlich ergänzt wurden die Genfer Abkommen durch die beiden Zusatzprotokolle von 1977, die insbesondere das Verbot direkter Angriffe auf Zivilpersonen und ein Recht auf humanitäre Hilfe in bewaffneten Konflikten beinhalten. Weit über 90 Prozent der gegenwärtigen bewaffneten Konflikte haben einen nicht-internationalen Charakter. Längst stehen sich also nicht mehr ausschließlich Staaten als Kriegsparteien gegenüber. Darum ist wichtig zu betonen, dass auch nicht-staatliche bewaffnete Akteure an die Regeln des humanitären Völkerrechts gebunden sind.
- Das humanitäre Völkerrecht hat sich zu einem für Situationen bewaffneter Konflikte geschaffenen Regelwerk entwickelt, das zwischen Menschlichkeit und militärischer Notwendigkeit vermittelt. Es ist immer dann anwendbar, wenn es zu bewaffneter Gewalt zwischen Staaten oder zu länger anhaltenden, intensiven gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen einem Staat und einer organisierten bewaffneten Gruppe oder zwischen solchen Gruppen kommt.
- Ein Grundsatz des humanitären Völkerrechts besagt, dass sämtliche Konfliktparteien jederzeit unterscheiden müssen zwischen (zivilen) Personen und Objekten, die unter allen Umständen zu schützen sind, und solchen, die im bewaffneten Konflikt direkt angegriffen werden dürfen.
- Eine weitere Kernvorschrift regelt, dass das Rote Kreuz beziehungsweise der Rote Halbmond auf weißem Grund ein völkerrechtlich vereinbartes Schutzzeichen ist und dass derart gekennzeichnete Personen oder Fahrzeuge nicht angegriffen werden dürfen sowie dass humanitäre Hilfslieferungen und die medizinische Versorgung der Zivilbevölkerung besonders geschützt und zu respektieren sind.
- Das Deutsche Rote Kreuz hat vom Gesetzgeber den Auftrag erhalten, die Kenntnisse über das humanitäre Völkerrecht sowie die Grundsätze und Ideale der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung zu verbreiten, damit die an bewaffneten Konflikten Beteiligten sie im Ernstfall kennen und umsetzen können. Außerdem ist es Teil des DRK-Auftrags, die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch die Parteien eines bewaffneten Konfliktes einzufordern.